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2-2018 - Strategie braucht mehr als einen Topf

Wiebke Brüssel

Januar 2018

Unsere digitale Welt verwöhnt uns: Einer der Megatrends in der heutigen Zeit heißt „Individualisierung“, und längst können wir unsere Marmelade und Schokolade im Internet konfigurieren und bestellen. Wir können Sneaker oder Möbel nach unserem persönlichen Design herstellen lassen und sehen Filme „on demand“. Kurz gesagt: Wir wollen nicht mehr mit allen anderen „in einen Topf geworfen“ werden. Wir erwarten, dass uns die Anbieter unsere ganz individuellen Wünsche erfüllen. Und das tun sie auch immer mehr.

 

Wenn Sie wie ich in einem kleinen Unternehmen arbeiten, ist es vermutlich auch für Sie selbstverständlich, eine sehr individuelle Leistung anzubieten. Das ist für uns relativ einfach, weil wir eben aufgrund unserer Firmengröße mit einer überschaubaren Zahl von Kunden arbeiten. Diese Kunden kennen wir gut genug, um auf ihre Bedürfnisse passgenau eingehen zu können.

 

Andere Unternehmen bedienen täglich eine große Menge von Kundinnen und Kunden. Ihre Leistung enthält bisher kaum oder gar keine individuellen Elemente. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Bremer Straßenbahn AG, kurz BSAG. Für alle Auswärtigen: Die BSAG ist Bremens großer Anbieter für öffentlichen Personennahverkehr mit Bus und Straßenbahn.

 

Wer den ÖPNV nutzt, muss die eigenen Mobilitätswünsche an vorgegebene Fahrpläne anpassen. Verspätungen treffen alle, und wenn die Bahn voll ist, gibt es eben keine Sitzplätze mehr. Außerhalb der Stoßzeiten wird der Service stark heruntergefahren – vor allem in den Abendstunden. Bei schlechtem Wetter sind meistens nicht genug überdachte Warteplätze da. Dafür sind die Fahrkartenpreise in Bremen ziemlich hoch.

 

Kein Wunder, dass das vielen nicht gefällt und sie lieber das eigene Auto nutzen. Ich zähle mich durchaus zu dieser Gruppe. Meine persönlichen Mobilitätsbedürfnisse umfassen

 

  • das exakte Einhalten von Terminen, ohne lange Pufferzeiten (= Zeitverschwendung) einplanen zu müssen,

  • einiges an Material transportieren zu müssen und

  • Ziele weitab der Haltestellen auch bei unserem typischen Bremer Schmuddelwetter trocken und sauber zu erreichen.

 

Darum kümmert sich die BSAG bisher nicht. Doch inzwischen hat auch sie festgestellt, dass sie nicht mehr alle in einen Topf werfen kann und die Anforderungen ganz unterschiedlich sind: Trifft der Megatrend „Individualität“ auf den Megatrend „Mobilität“, heißt die Antwort zurzeit eben gerade nicht „ÖPNV“.

 

Daher plant die BSAG die Einführung einer App, die den Mobilitätsbedarf breitflächiger abdecken soll. Sie macht sich dafür den Megatrend „Technologie“ zunutze. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen dann über die App ein Taxi bestellen können oder die nächsten BSAG-Haltestellen finden. Zusätzlich soll gemeinsam mit einem Partner ein Sammeltaxi-Service angeboten werden. So sollen kleine Gruppenmit ähnlichen Fahrzielen befördert werden.

 

So weit, so gut. Nur leider hat die BSAG nicht mit dem Mobilitätspartner „Taxiruf Bremen“ gesprochen. Die sind, so unsere Bremer Nachrichten-Sendung „buten un binnen“, gerade ebenfalls dabei, eine Mobilitäts-App zu entwickeln.

 

Aus diesem Beispiel können wir strategisch gesehen Folgendes lernen:

 

  • Es ist gut, das eigene Produkt an Zukunftstrends zu messen. Stellen wir dabei fest, dass wir nicht mehr dazu passen, ist es höchste Zeit, strategisch tätig zu werden.

  • Dabei sollte nicht mehr vom Produkt, sondern vom Nutzen für die Kunden her gedacht werden: Das Grundbedürfnis der BSAG-Nutzer ist zum Beispiel, „entspannt und pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen“ oder „einen Weg kostengünstig zurückzulegen“.

  • Bei solchen Projekten ist es gut, gemeinsam mit anderen ein Gesamtpaket zu entwickeln. Auch das ist ein Trend, bei dem wir kleineren Unternehmen längst die Nase vorn haben. Schön, wenn auch die Großen die Vorteile von Kooperationen erkennen. Dabei aber einen möglichen strategischen Partner vor Ort zu übersehen oder bewusst auszulassen, ist ungünstig und unökonomisch. Selbst wenn es bisher Probleme zwischen Anbietern gibt, lohnt es sich, diese für ein umfangreiches Projekt beiseitezulegen.

 

Sollten Sie noch Ihre Kunden alle in einen Topf werfen, ist das Frühjahr eine gute Zeit, um ein paar neue Töpfe zu beschaffen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg.

 

Redaktionelle Hinweise

 

Über die Autorin

 

Wiebke Brüssel ist Geschäftsführende Gesellschafterin des Strategiebüro Nord.

 

Das Strategiebüro Nord arbeitet für Unternehmen und Organisationen im privaten, sozialen und öffentlichen Bereich, für Gründer und für Firmen am Anfang ihrer Entwicklung.

 

Dabei geht es um individuelle Fragestellungen, die sich oft aus den Trends unserer Zeit ergeben. Hierfür entwickeln wir lösungsoffen und teamorientiert strategische Konzepte, die langfristig den Erfolg sichern.

 

 

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Dieser Beitrag wurde auf den Bremer Exxtraseiten veröffentlicht.

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