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5-2021 - Die dunkle Seite der Shampooflasche

Wiebke Brüssel

April 2021

Für alle, die gerade keine Lust auf das C-Wort haben, schreibe ich mal über etwas anderes. Neben dem C-Problem haben wir leider auch ein P-Problem, und das schon ziemlich lange.

 

Die Inspiration zu diesem Thema kam durch einen ebenso interessanten wie verstörenden Vortrag über Plastikmüll.

 

Wir alle habe sie zuhause: die gelbe Tonne oder den gelben Sack. Die meisten von uns trennen den Müll, so gut sie können. Doch genauso gut kennen wir inzwischen die Bilder von plastik-vermüllten Stränden und Ozeanen. Das meiste sehen wir schon nicht mehr, es liegt auf dem Grund der Meere und ist bereits in winzige Stücke zerfallen.  

 

Natürlich können Kunststoffe recycelt werden – doch bisher gelingt das erst in kleinem Umfang. Der Löwenanteil des Plastikmülls landet auf Deponien und in der Umwelt, viel wird verbrannt. Das meiste Material ist nicht gut genug fürs Recyceln. Verpackungen bestehen aus so vielen Einzelkomponenten, dass man sie nicht mehr auseinandernehmen kann oder es sich einfach nicht lohnt.

Gleichzeitig verbrauchen wir Deutschen immer noch so viel Plastik, dass wir offenbar in unserem Land nicht mehr damit fertigwerden. Daher exportieren wir auch Plastikmüll. Dramatische Bilder von Deponien im globalen Süden haben viele sicher schon gesehen.

 

Früher fanden wir Plastik cool, modern und praktisch. Aber da wussten wir es auch noch nicht besser. Außerdem war noch nicht jeder Einkauf eingeschweißt. Die Wurst beim Schlachter wurde in Papier eingewickelt, auch im Obst- und Gemüseladen gab es Papiertüten. Das gibt es heute nur noch auf Wochenmärkten. Mit dem fortschreitenden Wohlstand wuchs der Plastik-Müllberg.

 

Wenn wir uns vorstellen, dass alle Menschen auf dieser Welt wie wir Deutschen leben würden und 480 Gramm Plastikmüll pro Tag erzeugen (Quelle: Polyproblem-Report „Der Abfall der Anderen“) – nein, das stellen wir uns lieber nicht vor. Höchste Zeit, dass wir das Rad herumdrehen.

 

In meinem BWL-Studium wurde noch vermittelt, dass sich Märkte allein regeln. Allerdings war bei diesen Überlegungen die Zerstörung der Umwelt im eigenen Land und im Rest der Welt nicht „eingepreist“. Zurzeit haben wir eine bizarre Situation. Viele Verpackungen können nur in Grundstoffe für „grobe“ Produkte wie Parkbänke und Putzeimer verwandelt werden. Doch für diese Dinge ist der Bedarf überschaubar.

 

Zu viele Plastikprodukte sind nicht sauber trennbar und deshalb für einen Kreislaufprozess verloren. Gleichzeitig gibt es Unternehmen, die gerne Recyclate einsetzen würden, aber sie finden keine bezahlbaren Rohstoffe. So werden dann eben doch neue (erdölbasierte) Kunststoffe in die Welt gebracht. Experten nennen das Marktversagen.

 

Einer der wenigen Lichtblicke sind Wasserflaschen aus PET. Sie werden von den Supermärkten über ein Pfand-System eingesammelt und können sauber zerlegt und wiederverwendet werden. Genau so muss es sein. Kunststoff sollte kein Müll, sondern Wertstoff werden.

 

Ich finde, dass die Welt an dieser Stelle folgendes braucht:

 

  • Innovative Forschende, die komplett kreislaufgeeignete und für die Industrie bezahlbare Verpackungen entwickeln.

  • Unternehmen, die diese Entwicklungen aufgreifen, in die Herstellung einsteigen und hoffentlich dafür von der Politik gefördert werden.

  • Politiker, die den Mut haben, dieses Thema anzupacken und Produzenten in die Verantwortung zu nehmen – zur Not auch steuerpolitisch.

  • Eine gut nachvollziehbare Kennzeichnung für uns Konsumierende, die uns zeigt, welche Produkte eine recycelbare Verpackung haben.

  • Aufmerksame Verbraucherinnen und Verbraucher, die gezielt Produkte ohne Plastik kaufen und auch mal den Handel auf seine Verpackungspolitik ansprechen.

 

Es gibt aber auch Positives zu vermelden. Immerhin gibt es Umweltschutzverbände, die sich nicht scheuen, die Politiker an ihre Verantwortung zu erinnern. Es gibt Organisationen wie die Röchling-Stiftung, die mit ihrem Engagement gegen das Polyproblem sichtbare Zeichen setzt. Ihnen verdanke ich den inspirierenden Vortrag. Wer mehr über das Plastik-Problem wissen will, findet auf diesen Seiten unglaublich viel interessante Informationen.

 

Und es gibt uns alle, die wir jeden Tag Entscheidungen gegen Plastik treffen können. Bei mir persönlich funktioniert das schon gut. Das merke ich daran, dass meine „gelbe“ Tonne nur noch sehr selten geleert werden muss. Auch wenn PET-Flaschen gut recycelt werden können, setze ich lieber auf Leitungswasser. Wer gezielt sucht, findet selbst in Supermärkten Produkte, die ohne oder mit wenig Verpackung auskommen. Unverpackt-Läden sind im Kommen, aber noch gibt es zu wenig. Leider ist ihr Angebot noch zu teuer für die breite Masse. Auch merkwürdig, dass Unverpacktes teurer sein muss als Verpacktes. Da haben wir noch unglaublich viel Potenzial, auch für neue Geschäftsmodelle.

 

Übrigens: Schwarze Shampoo- und andere Plastikflaschen sind so gut wie gar nicht recycelbar. Die Sortiermaschinen erkennen das Material nicht, weil sie mit Lichtreflexion arbeiten. Schwarz reflektiert nicht genug, wird aussortiert und meistens verbrannt. Ein kurzer, nicht repräsentativer Blick in das Sortiment eines Drogeriemarktes ergab, dass hauptsächlich Männer-Produkte in schwarzen Flaschen angeboten werden. Also liebe Männer, kaufen Sie bitte in Zukunft Shampoo- und andere Kosmetikbehälter nur in Weiß. Nach langjährigen Tests im eigenen Haushalt kann ich bestätigen, dass es funktioniert.

 

Leben Sie plastikarm und bleiben Sie gesund.

 

Redaktionelle Hinweise

 

Über die Autorin

 

Wiebke Brüssel ist Geschäftsführende Gesellschafterin des Strategiebüro Nord.

 

Das Strategiebüro Nord arbeitet für Unternehmen und Organisationen im privaten, sozialen und öffentlichen Bereich, für Gründer und für Firmen am Anfang ihrer Entwicklung.

 

Dabei geht es um individuelle Fragestellungen, die sich oft aus den Trends unserer Zeit ergeben. Hierfür entwickeln wir lösungsoffen und teamorientiert strategische Konzepte, die langfristig den Erfolg sichern.

 

 

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Dieser Beitrag wurde auf den Bremer Exxtraseiten veröffentlicht.

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