3-2024 - Es geht (bald) los: Die Weltbevölkerung wird schrumpfen
Dr. Heiko H. Stutzke und Wiebke Brüssel
März 2024
Die Veränderung vollzieht sich schleichend und vielerorts unbemerkt: In mehr als der Hälfte der Länder der Welt geht die Bevölkerungszahl zurück, weil die Geburtenraten unter das „Erhaltungsniveau“ gesunken sind. Das hat zwei wichtige Konsequenzen: Die jeweilige Bevölkerung wird im Durchschnitt immer älter, und global betrachtet entstehen durch ungleiche Entwicklungen in verschiedenen Regionen neue gesellschaftliche und wirtschaftliche Spannungsfelder.
Ein internationales Forscherteam hat die Entwicklung der Bevölkerungszahlen für 204 Länder auf der Basis der Daten von 2021 untersucht[1] und mit verschiedenen Ansätzen auf die Jahre 2050 und 2100 hochgerechnet. Herausgekommen ist eine Studie, die im Detail beschreibt, wie sich die Geburtenraten entwickeln werden.
In der Grafik (siehe oben) haben wir einige der Kennzahlen für die wichtigsten Regionen der Welt zusammengefasst. Sie zeigt, dass schon heute in vielen Teilen der Welt die Geburtenrate nicht mehr ausreicht, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten. Im Jahr 2021 war das in 110 der untersuchten 204 Länder der Fall, also in mehr als der Hälfte (53,9 %).
Dabei ist neben der Geburtenrate auch Zu- oder Abwanderung ein wichtiger Einflussfaktor auf die regionale Bevölkerungszahl. Wanderungsbewegungen sind jedoch für die globale Entwicklung nicht ausschlaggebend, da es sich lediglich um eine räumliche Verlagerung vorhandener Bevölkerung handelt: Wenn Menschen aus einer Region in eine andere umsiedeln, verändern sich zwar die lokalen Verhältnisse, aber die Gesamtzahl der Menschen bleibt dieselbe.
Südamerika und China (hier nicht gesondert ausgewiesen) entwickeln sich ganz ähnlich wie Westeuropa. In Südamerika war die Geburtenrate im Jahr 2021 bei 1,49. In China war sie mit 1,23 historisch niedrig und wird weiter deutlich fallen. China nimmt somit die Entwicklungen in anderen Teilen der Welt vorweg.
Wodurch entstehen die beobachteten Unterschiede zwischen den Regionen?
Es gibt vier wesentliche Treiber für die Entscheidung, Kinder zu bekommen:
Das Bildungsniveau und die Verfügbarkeit von Bildungsangeboten,
die Preise für Schul- und Berufsausbildung,
die (persönliche) wirtschaftliche Lage sowie
die politischen und die kulturellen Verhältnisse.
Zusammengefasst wirken sich diese Faktoren folgendermaßen aus:
Je höher das Bildungsniveau der Frauen ist, desto eher entscheiden sie sich bevorzugt für eine Berufstätigkeit in Voll- oder Teilzeit zulasten von Kindern.
In vielen Ländern sind weder Schul- noch Berufsausbildung kostenlos oder preiswert verfügbar. Je höher der Preis für qualitativ hochwertige Bildung, desto eher entscheiden sich Familien dafür, weniger oder keine Kinder großzuziehen.
Wenn sich der Lebensstandard und/oder das (Familien-)Einkommen und durch bessere Jobangebote steigern lassen, entscheiden sich Paare häufiger dafür, zunächst den eigenen Lebensstandard zu erhöhen und zum Beispiel Wohneigentum zu finanzieren. Die Entscheidung für Kinder wird dann im Licht der verbleibenden finanziellen Möglichkeiten abgewogen. Oft steht auch das Verfolgen der persönlichen bzw. beruflichen Karriere im Vordergrund.
Letztlich tragen auch die politischen Verhältnisse dazu bei, die Entscheidung für oder gegen (weitere) Kinder zu beeinflussen. In instabilen politischen Verhältnissen fällt die Entscheidung eher gegen Kinder. Hinzu kommt die Verfügbarkeit von Förderangeboten oder Plätzen in der Kita.
In der Summe haben all diese Faktoren weltweit zu den beobachteten, deutlich sinkenden Geburtenraten geführt. Dies wird sich in den kommenden Jahrzehnten weiter fortsetzen, und 2050 werden gemäß der Prognosen 156 Länder eine Geburtenrate unterhalb von 2,1 haben und damit eine schrumpfende Bevölkerungszahl.
Insgesamt wird die Weltbevölkerung ab dem Beginn der 2030er-Jahre schrumpfen.
Dass dies nicht heute bereits der Fall ist, liegt an zurzeit 94 Staaten in Asien und Afrika (Stand: 2021). Diese verzeichnen noch immer einen starken Bevölkerungszuwachs, der sich trotz langfristig zurückgehender Geburtenraten bis weit in die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts fortsetzen wird. Hierdurch wird der Bevölkerungsrückgang in den anderen Staaten mehr als kompensiert.
Ist die Entwicklung gut oder schlecht?
Aus Sicht von Nachhaltigkeit und Umweltschutz ist eine sinkende Weltbevölkerung eine gute Sache: Die Nachfrage nach Energie, Rohstoffen und Gütern sinkt, mit der Folge geringerer Landnutzung, weniger frequentierter Transportwege und weniger Müll.
Auch für die (Welt-)Wirtschaft und unser Zusammenleben muss die Entwicklung nichts Schlechtes bedeuten. Es gilt aber, Überalterung und globale Ungleichheiten im Auge zu behalten und schon heute Maßnahmen zu entwickeln. So kann zum Beispiel auf Pflegepersonal und entsprechende Einrichtungen verzichtet werden, wenn die Gesundheitsfürsorge auf die Vermeidung von Pflegefällen ausgerichtet wird.
Wesentlich bedeutsamer als der bei uns diskutierte Arbeitskräftemangel und geringeres Steueraufkommen sind Konfliktpotenziale und Wanderbewegungen durch die unterschiedlichen Entwicklungen der Weltregionen. Die Politik ist gut beraten, das Gespräch mit den zahlenmäßig weiterhin stark wachsenden Regionen zu suchen und gemeinsam Angebote vor Ort zu schaffen, um Konflikte zu verhindern. Hierbei geht es besonders um Bildung und berufliche Perspektiven.
Und eines darf bei der Entwicklung nicht außer Acht gelassen werden: Wenn weniger Menschen geboren werden, werden diese aller Wahrscheinlichkeit nach in der Zukunft ebenfalls weniger Kinder bekommen, so dass sich der Schrumpfungsprozess nicht nur fortsetzt, sondern sogar beschleunigt. Das wird mehrere Generationen dauern, ist aber heute bereits absehbar und wird gravierende Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft haben.
Redaktionelle Hinweise
Über die Autoren
Dr. Heiko H. Stutzke und Wiebke Brüssel sind Geschäftsführende Gesellschafter des Strategiebüro Nord.
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