21-2020 - Strategische Pandemiebekämpfung – ein Modell für die Zukunft
Dr. Heiko H. Stutzke und Wiebke Brüssel
November 2020
Nervenkitzel. Häufig ist es genau das, was Forscher und Entdecker bewegt, sich aufzumachen in unbekanntes Terrain. Zu erfahren, was hinter dem Horizont liegt – ganz wörtlich oder manchmal auf mikroskopischer Ebene -, bewirkt bei vielen von uns eine magische Faszination. Schon als Kind hat sicher so manche(r) davon geträumt, mit Entdeckungen die Welt zu verändern.
Das fühlt sich auch deswegen gut an, weil wir selbst entscheiden, was wir tun, und was wir nicht tun. Wir haben die Kontrolle.
In einer Pandemie ist das ganz anders. Hier ziehen nicht wir die Fäden, sondern ein Organismus. Er zwingt uns zu Handlungen, die wir uns nicht ausgesucht haben, ändert unsere Gewohnheiten und führt am Ende vielleicht zu einer neuen Normalität, die niemand von uns sich gewünscht hätte.
Und eines muss uns ganz klar sein: Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Wir wissen jetzt, dass wir uns sehr gut und präzise vorbereiten müssen auf den weiteren Verlauf der aktuellen Pandemie. Gleichzeitig müssen wir Strukturen schaffen, die einen verlässlichen Handlungsrahmen bilden, wenn das nächste Virus kommt.
Das ist nicht einfach. Es gilt, viele verschiedene Schwerpunkte abzudecken und einheitliche, konsistente Regelungen zu schaffen, an denen wir alle uns orientieren können. Lokales und regionales Flickwerk ist hier keine tragfähige Lösung. Gefragt ist eine „Pandemie-Strategie“.
Die Frage ist nur: Wie kann eine solche Pandemie-Strategie aussehen?
Eine „Pandemie-Strategie“
Ein solches Vorhaben muss sehr gut vorbereitet werden. Dazu gehört, zunächst die Parameter für den Handlungsrahmen abzustecken, also die Ausgangsposition zu bestimmen und danach die weitere Vorgehensweise festzulegen. Wir schlagen hierfür die folgenden Schritte vor:
1 Vision formulieren
Eine Vision ist eine ausformulierte, manchmal idealisierte Zielvorstellung. Diese kann zum Beispiel folgendermaßen lauten:
Entwickeln und Bereithalten eines konsistenten Maßnahmenkatalogs, um eine Pandemie vom Beginn an wirksam bekämpfen zu können.
2 Herausforderungen definieren und in Zielformulierungen verwandeln
Die Herausforderungen und Zielformulierungen müssen besonders sorgfältig analysiert werden. Die Qualität dieses Schritts bestimmt die Qualität der entstehenden Maßnahmen. Hier ein Ausschnitt:
Einfache und verständliche Messgrößen finden, mit denen die aktuelle Intensität der Pandemie wirksam an Bevölkerung und Wirtschaft kommuniziert werden kann.
Einheitliche, für alle Wirtschaftssektoren und Bevölkerungsgruppen leicht verständliche und nachvollziehbare Vorgehensweise zur Eindämmung der Pandemie entwickeln.
Immer die jeweils passenden, angemessenen Maßnahmen aktivieren, die das notwendige Maß an Wirksamkeit entfalten, ohne zu „überziehen“.
Auf diese Weise entsteht bereits das Gerüst für den nächsten Schritt.
3 Entwickeln konkreter, wirksamer Maßnahmen
Aus der Zielformulierung ergeben sich die Rahmenbedingungen für konkrete Maßnahmen. Diese könnten zum Beispiel aussehen wie folgt:
Einrichten einer Einsatzgruppe „Pandemiebekämpfung“, die mit allen notwendigen Befugnissen ausgestattet ist, um landesweit wirksame Arbeit zu leisten.
Die Aufgaben der Einsatzgruppe werden in drei Bereiche geteilt:
Sammlung und Auswertung weltweiter wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Medizin und Pandemieforschung,
Erfassung und Auswertung der Wirksamkeit von Maßnahmen in der aktuellen Pandemie und die Betrachtung weiterer, sekundärer Auswirkungen der Maßnahmen auf Wirtschaftssektoren (mit besonderem Fokus auf systemrelevante Bereiche) und Bevölkerung, sowie
Kommunikation mit nachgelagerten und weiteren Einheiten (auch international) und regelmäßiger Austausch mit den Verantwortlichen in der Politik, die über die Ergebnisse der Einsatzgruppe und deren Anwendung im Rahmen der demokratischen Legitimierung entscheidet.
Inhaltlich geht es darum, zu ermitteln, wann welche Maßnahmen angemessen und wirksam sind. Hier müssen jeweils die folgenden, vergleichsweise einfachen Fragen beantwortet werden:
Was läuft bzw. lief gut, was schlecht?
Welche Maßnahmen waren einfach umzusetzen (= Stärken), welche bereiteten Probleme (= Schwächen)?
Wo gibt es welche Lücken, die weitere oder andere Regelungen erfordern?
Wo sind welche Kosten entstanden?
Diese einfache Darstellung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine hochkomplexe Detailarbeit handelt, die besondere Aufmerksamkeit und regelmäßige Überprüfung verlangt. Das Ergebnis kann dann aber so aussehen wie in Schritt 4.
4 Eine einheitliche Strategie zur Pandemie-Bekämpfung
Was könnte das Ergebnis der Arbeit der Einsatzgruppe sein?
Mit dem Ziel, eine Pandemie wirksam und für alle Wirtschaftssektoren und Bevölkerungsteile nachvollziehbar einzudämmen, wäre folgendes denkbar:
Es gibt einen drei- bis maximal fünfstufigen Pandemieplan, der die genaue Vorgehensweise im Falle einer Pandemie beschreibt. Diese Vorgehensweise ist bundes- oder sogar europaweit einheitlich. Es gibt ergänzend Erläuterungen in einfacher Sprache sowie in den wichtigsten weiteren Sprachen, die in Deutschland (bzw. Europa) gesprochen werden. Den einzelnen Stufen liegen Parameter zugrunde, die öffentlich kommuniziert und leicht nachvollziehbar sind.
Es gibt für jede Stufe Checklisten, die konkrete Maßnahmen und Verhaltensweisen beschreiben. Dazu gehören auch Sanktionen bei Verstößen.
Die Checklisten werden jeweils individuell auf die Wirtschaftssektoren und Versorgungsbereiche angepasst und umfassen auch Unterstützungsangebote der öffentlichen Verwaltung.
Alle Checklisten und ergänzenden Informationen sind auf Servern der Einsatzgruppe zugänglich und können über das Internet sowie eine App abgerufen werden. Die Bereitstellung an einer einzigen Stelle erleichtert die Aktualisierung.
Die jeweilige Stufe des Pandemieplans wird, regional differenziert, öffentlich ausgerufen, und die Maßnahmen für die Stufe sind dann wirksam und verpflichtend umzusetzen.
Beispiel:
Wie muss der Einzelhandel sich verhalten, wenn eine Pandemie gerade ausgebrochen ist (Stufe 1)? Inhaltlich: Einheitliche Hygienekonzepte, Personalausstattung (Gruppenbildung, Begegnungen vermeiden, Dienstpläne, …), Abstimmungen mit Lieferanten, Versorgung sicherstellen (Öffnungszeiten, Zutrittsregelungen), Panikkäufe verhindern, und vieles mehr.
Alle Maßnahmen und Regelungen werden mit dem aktuellen Erkenntnisstand abgeglichen und regelmäßig in festgelegten Zyklen überprüft, zum Beispiel einmal monatlich zum Stichtag. Bei Bedarf werden die Checklisten aktualisiert. Damit verbunden ist auch die regelmäßige Information der Öffentlichkeit, zum Beispiel über anstehende Änderungen.
Die wirksame Umsetzung dieser Strategie muss keineswegs ein „Bürokratiemonster“ sein. Viele Maßnahmen betreffen eine Vielzahl von Akteuren. Zudem muss der Umfang der Maßnahmen so gestaltet werden, dass er leicht von allen betroffenen nachvollzogen und umgesetzt werden kann.
5 Fazit
Insgesamt wäre auf diese Weise ein wesentliches Konfliktpotenzial bisheriger Lösungen und Vorgehensweisen minimiert, nämlich der Flickenteppich regional und sektoral unterschiedlicher Regelungen und Maßnahmen. Die Akzeptanz würde gestärkt, und sowohl Bevölkerung als auch Wirtschaft und Kultur würden profitieren.
Der wirksame Schutz von Bevölkerung und Wirtschaft vor den Auswirkungen einer Pandemie würde durch die strategische Pandemiebekämpfung optimal umgesetzt.
Denn die nächste Pandemie kommt bestimmt.
Redaktionelle Hinweise
Über die Autoren
Dr. Heiko H. Stutzke und Wiebke Brüssel sind Geschäftsführende Gesellschafter des Strategiebüro Nord.
Das Strategiebüro Nord arbeitet für Unternehmen und Organisationen im privaten, sozialen und öffentlichen Bereich, für Gründer und für Firmen am Anfang ihrer Entwicklung.
Dabei geht es um individuelle Fragestellungen, die sich oft aus den Trends unserer Zeit ergeben. Hierfür entwickeln wir lösungsoffen und teamorientiert strategische Konzepte, die langfristig den Erfolg sichern.
Hinweis zur verwendeten Sprache
Sprachliche Grundlage für unsere Beiträge ist das amtliche Regelwerk des Rates für deutsche Rechtschreibung. Wir sprechen alle Menschen an.
Lobbyregister
Das Strategiebüro Nord ist unter der Kontonummer K4126147 im Lobbyregister des Deutschen Bundestages eingetragen.
Nutzungsrechte
Alle Rechte für unsere Beiträge und die verwendeten Bilder liegen, soweit nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, beim Strategiebüro Nord.
Wir freuen uns, wenn Sie Beiträge und Bilder für Ihre persönliche (ausschließlich private) Information nutzen, sie zitieren oder verlinken. Wenn Sie unsere Beiträge, Bilder oder andere Inhalte jedoch außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes ganz oder teilweise für gewerbliche oder hoheitliche Zwecke verwenden, in elektronische Medien einstellen oder weitergeben wollen, bitten wir Sie, hierfür unsere schriftliche Genehmigung einzuholen.
Download als PDF-Datei
Diesen Beitrag können Sie als PDF-Datei herunterladen. Klicken Sie hierfür oben den Button "PDF" mit der rechten Maustaste an und wählen dann die Option zum Speichern der PDF-Datei auf Ihrem Gerät.
© Strategiebüro Nord