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2-2023 - Mobilität ganz neu gedacht

Dr. Heiko H. Stutzke und Wiebke Brüssel

Februar 2023

Die heutige Verkehrssituation ist geprägt durch eine Rekordzahl von Fahrzeugen auf den Straßen, hohen Parkdruck und eine im Durchschnitt sehr geringe Nutzungszeit der Fahrzeuge pro Tag. Die CO2-Ziele wurden vom Verkehrssektor wiederholt verfehlt.

 

Um diese Probleme nachhaltig zu lösen, schlagen wir vor, schon vorhandene Angebote für eine nachhaltige, günstige und komfortable Mobilität zu vernetzen und zu einem flächendeckenden System auszubauen.

 

Kern ist das Carsharing von Fahrzeugen verschiedener Größen- und Leistungsklassen, die von privaten und öffentlichen Anbietern bereitgestellt und unterhalten werden. Sie ergänzen zunächst das bisherige Angebot an Verkehrsmitteln und haben das Ziel, durch umfassende Verfügbarkeit und gute Preise den Besitz eigener Fahrzeuge unattraktiv zu machen, so dass Privatpersonen und Betriebe immer mehr auf diese Form der Mobilitätsnutzung umsteigen. Das klassische Carsharing wird dabei ergänzt durch fahrergebundene Fahrzeuge, die auf festen oder buchungsabhängigen Routen verkehren, um ein ÖPNV-ähnliches System zu schaffen.

 

Piktogramm mehrerer Fahrzeugtypen.

 

Die IT-Systeme der Anbieter sind über eine zentrale Plattform vernetzt, so dass für die Nutzer eine App, Internetseite oder Telefonnummer reicht, um Buchungen durchzuführen. Durch den Wettbewerb der Anbieter werden günstige Preise und Innovationsdynamik sichergestellt.

 

Mit dem neuen System sollen mehrere weitere Ziele erreicht werden: Vorhandene Fahrzeuge und damit auch die darin verbauten Rohstoffe werden effizient genutzt. Der Verkehrsdruck nimmt ab; hierdurch wird auch der Aufwand für Betrieb und Instandhaltung von Straßen- und Autobahn-Infrastruktur verringert. „Stehzeuge“ werden vermieden und die Parksituation entschärft. Durch Standardisierung können Möglichkeiten geschaffen werden, auch den Güterverkehr in das neue Mobilitätssystem einzubeziehen.

 

Gleichzeitig lohnt es sich, unvoreingenommen zu prüfen, inwieweit die parallele Schienen-Infrastruktur langfristig abgelöst werden kann, da ihr ökologischer Fußabdruck (Flächen- und Ressourcenverbrauch) im Vergleich mit dem Straßen-Fernverkehr ebenfalls enorm ist. Vorhandene Bahntrassen könnten dann überarbeitet und für autonome Fahrzeuge und Kolonnen genutzt werden.

 

Von der Politik müssen die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um ein solches System flächendeckend einzuführen.

 

Wir haben hier nicht den Anspruch, es in allen Details auszuarbeiten und zu beschreiben, sondern verstehen die folgenden Ausführungen als Skizze für unsere künftige Mobilität.

 

 

1  Übersicht

 

Wir fahren zur Arbeit oder zur Schule, zum Einkaufen, zu Freizeitaktivitäten und in den Urlaub, zum Arzt und an viele andere Orte. Wir erbringen Dienstleistungen und transportieren Waren und Menschen selbst an abgelegene Orte, oft mit Terminen verbunden oder „Just-in-Time“ und teilweise über große Entfernungen. Dabei entscheiden wir uns jeweils für das Transportmittel, das am besten zum jeweiligen Bedürfnis passt, möglichst bequem und preiswert bzw. wirtschaftlich ist.

 

Ein Mobilitätssystem muss also eine Menge Anforderungen erfüllen. Heute leisten wir uns dafür mit Straßen- und Schienenverkehr zwei parallele Infrastrukturen, die sich nur an vergleichsweise wenigen Knotenpunkten berühren. Beide erfordern enorme Investitionen für Auf- und Ausbau, Instandhaltung und Steuerung.

 

Wir betrachten in diesem Beitrag nur Straßen- und Schienenverkehr. Schifffahrt und Flugverkehr müssen im Rahmen von Maßnahmen gegen den Klimawandel genauso einbezogen werden, sind aber hier nicht Gegenstand.

 

Um den Klimawandel aufzuhalten, die Erderhitzung zu verringern und die täglichen Staus und Parkprobleme loszuwerden, müssen wir unsere Mobilität auf den Prüfstand stellen. Und wir müssen dafür sorgen, möglichst schnell nachhaltig, ressourcenschonend und klimaneutral unterwegs zu sein.

 

Die Frage ist nur: Wie kann das gelingen?

 

In den folgenden Abschnitten machen wir einen Vorschlag, wie ein nachhaltiges Mobilitätssystem Wirklichkeit werden kann.

 

 

2  Die aktuelle Ausgangssituation

 

Die aktuellen Maßnahmen, die unter der Überschrift „Verkehrswende“ umgesetzt werden, haben im Grunde eines gemeinsam: Unsere heutige Art der Mobilität soll nicht verändert werden. Alles bleibt, wie es ist, mit dem Unterschied, dass beim Individualverkehr fossile Energieträger durch Strom und eventuell Wasserstoff ersetzt werden.

 

Dazu ein paar Fakten:

 

  • Im Jahr 2022 gab es in Deutschland 49,6 Mio. Pkw und 3,6 Mio. Lkw[1].
  • Der Parkraum ist knapp, und
  • die Aufenthaltsqualität in den Quartieren leidet durch abgestellte Fahrzeuge erheblich.
  • Pkw sind zu mehr als 90 % der Zeit unwirtschaftliche „Stehzeuge“, in Stoßzeiten oft auch „Stauzeuge“.
  • Die CO2-Ziele der Bundesregierung werden seit Jahren regelmäßig verfehlt.

Für den Schienenverkehr sieht es ähnlich aus:

 

  • Um einen Zug zu erreichen, ist oft ein „Zubringerverkehr“ erforderlich; besonders in ländlichen Gebieten sind das teilweise weite Anfahrten mit dem Pkw.
  • Die Gleis- und Bahnhof-Infrastruktur verbraucht genau wie Landstraßen und Autobahnen enorme Flächen und Rohstoffmengen - man denke an Bahntrassen, Tunnel und Brücken, Knotenpunkte, Schienen, Kabel, Schwellen etc., und natürlich die Züge selbst.
  • Züge sind groß und sehr schwer. Diese Masse wird während einer Fahrt diverse Male beschleunigt und abgebremst und verbraucht so viel Energie.
  • Züge sind nur zu Stoßzeiten ausgelastet.[2]
  • Die Infrastruktur ist in weiten Teilen veraltet und in ländlichen Gebieten kaum noch vorhanden. Alle Anstrengungen, sie zu modernisieren und zuverlässiger zu machen, sind in den letzten Jahrzehnten gescheitert. Die permanenten Verspätungen im heutigen Zugverkehr zeichnen ein eindeutiges Bild der Lage.
  • Eine ganzheitliche ökologische Bilanzierung des Bahnverkehrs gibt es bisher nicht. Materialeinsatz und die Auswirkungen der Nutzung (CO2-Äquivalent) sind nicht bekannt bzw. nicht systematisch kommuniziert.

 

Wenn die beschriebenen Strukturen mehr oder weniger unverändert beibehalten werden, wird eine nachhaltige Verkehrswende nicht gelingen, und die Anzahl der Fahrzeuge im Verkehr wird gleichbleiben oder weiter steigen.

 

 

3  Anforderungen an ein künftiges Mobilitätssystem

 

Ein wirklich nachhaltiges Mobilitätssystem muss sich mit der oben genannten Situation auseinandersetzen - es ist Ausgangsposition und Ansatzpunkt für Verbesserungen.

 

Um eine bessere Lösung für unsere alltäglichen (und auch die nicht-alltäglichen) Mobilitätsbedürfnisse zu finden, müssen wir uns zunächst von der Vorstellung verabschieden, dass im Grunde alles so bleiben kann (und soll) wie bisher. Der Ressourceneinsatz für Fahr- bzw. Stehzeuge wäre dann praktisch gleich, nur mit dem Unterschied, dass statt fossiler Treibstoffe Batterien zum Einsatz kämen, die zusätzlich eine ganz neue Infrastruktur erfordern. Eine enorme Anzahl individuell verkabelter Wallboxen dürfte insgesamt genauso umweltschädlich sein wie fossile Energieträger, da auch die Elektro-Infrastruktur grundlegend ertüchtigt werden müsste: Zurzeit sind weder die notwendigen, leistungsstarken Stromleitungen zum Beispiel in Wohngebiete vorhanden, noch wird genügend Strom erzeugt, um eine zusätzliche Vielzahl von Elektrofahrzeugen zu versorgen.

 

Daraus ergibt sich fast zwangsläufig der zentrale Ansatzpunkt für ein neues Mobilitätssystem: Vorhandene Fahrzeuge müssen möglichst optimal ausgelastet werden, anstelle den weitaus größten Teil der Zeit ungenutzt herumzustehen. Die „Stehzeuge“ müssen so weit wie möglich vermieden werden.

 

Es gilt also,

 

  • die Auslastung von Fahrzeugen zu vergrößern,
  • hierdurch die Anzahl der Fahrzeuge und damit auch Rohstoffverbrauch, Vertriebs- und Wartungsaufwand zu verringern,
  • gleichzeitig den Verkehrsdruck zu entschärfen und so Transportzeiten zu verkürzen, und
  • für die Parksituation ein Modell zu schaffen, das den aktuellen Anforderungen besser gerecht wird als bisherige Lösungen.

Dies ist die Ausgangsposition für die weiteren Schritte zu einer modernen und nachhaltigen Mobilitätslösung.

 

Diese muss im Einklang stehen mit den aktuellen und zukünftigen Mobilitätsbedürfnissen:

 

Ein künftiges Mobilitätssystem muss zeitlich und örtlich flexibel sein und sich den jeweiligen Bedürfnissen anpassen. Es muss gleichermaßen für Menschen geeignet sein, die nicht selbst fahren können oder wollen, für Menschen mit Einschränkungen und für den Gütertransport. Hinzu kommen selbstverständliche Faktoren wie Sicherheit und Zuverlässigkeit, auch in Notfällen.

 

  • Es muss so attraktiv sein, dass Menschen und Unternehmen es gegenüber den bisherigen, individuellen Lösungen bevorzugen.
  • Menschen und Unternehmen im ländlichen Raum müssen genauso profitieren wie in städtischen Gebieten. Bisher unterversorgte Regionen müssen verstärkt (wieder) angebunden werden.
  • Standzeiten müssen minimiert werden, um die Ressourcennutzung zu optimieren.

 

Und es geht nicht nur um den Fahrzeugverkehr auf unseren Straßen.

 

Auch die gesamte Bahn-Infrastruktur muss in die Betrachtungen einbezogen werden. Heute wird fast immer pauschal davon gesprochen, Verkehr „auf die Bahn“ zu verlagern und damit eine umweltfreundliche und nachhaltige Lösung für unsere Mobilitätsanforderungen zu erhalten. Wie zu Beginn dieses Beitrags bereits festgestellt, ist aber auch die schienengebundene Infrastruktur mit riesigem Ressourcenaufwand verbunden, und auch die Wartung erfordert permanenten Material- und Energieeinsatz. All diese Aufwendungen wurden bisher nicht bilanziert, sondern mit der pauschalen Annahme erledigt, Bahnverkehr sei per se nachhaltig und umweltfreundlich.

Das ist so mit Sicherheit nicht der Fall, bedarf aber weiterer Untersuchungen zur Untermauerung. Es ist daher notwendig, die bisherigen Doppelstrukturen von Straßen- und Bahnverkehr auf den Prüfstand zu stellen und den Bahnverkehr denselben Analysen zu unterziehen, die auch für den straßengebundenen Individualverkehr gelten.

 

Eine zentrale Anforderung an ein neues Mobilitätssystem darf nicht vergessen werden: Es muss sich zunächst „nahtlos“ in die heutigen Strukturen einfügen und aus dieser Position heraus wachsen, indem es attraktiver ist als die bisherigen Lösungen.

 

 

4  Das System

 

Kern des neuen Systems ist der Auf- bzw. Ausbau eines universellen Fahrzeug-Sharings, das sukzessive zum neuen Transportsystem für den Individual- und Güterverkehr wird. Auf lange Sicht sollte der schienengebundene Verkehr durch das neue System abgelöst werden.

 

 

5  Struktur

 

Die neue Mobilitätslösung besteht aus mehreren Komponenten:

 

  • Ein preislich attraktives Angebot verschiedener Fahrzeugarten und -größen für Selbstfahrer. Die Fahrzeuge verteilen sich frei über das Bundesgebiet und werden per App, Internet oder Telefon gebucht. Im großstädtischen Raum wird begonnen. Mit zunehmender Nachfrage wird die Anzahl der Fahrzeuge größer. Ziel ist, dass in der Nähe immer ein passendes Fahrzeug zur Verfügung steht.
  • Ein zusätzliches fahrergebundenes Angebot von Transportleistungen. Eingesetzt werden Kleinbusse bzw. Fahrzeuge, welche die jeweiligen Transportbedürfnisse am besten abdecken. Sie werden ebenfalls per App, Internet oder Telefon gebucht. Aus den jeweiligen Anforderungen werden individuelle Routen errechnet, um die Passagiere einzusammeln und zum jeweiligen Ziel zu bringen.

  • Später kommen fahrerlose Fahrzeuge hinzu, auch als Kleinbusse, die auf Basis der Anforderungen Route und Ziele individuell anfahren - oder wie der bisherige Öffentliche Nahverkehr auf festen Routen verkehren.
  • Es gibt eine Vielzahl verschiedener Betreiber, die über eine technische Plattform vernetzt sind. Kunden müssen also nur eine App / Internetseite / Telefonnummer nutzen. Durch die Betreiber werden Wettbewerb und kontinuierliche Weiterentwicklung sichergestellt.
  • Der Gütertransport wird ebenfalls auf diese Weise abgewickelt, indem passende Fahrzeuge bei der Betreibergesellschaft gebucht werden. Fahrzeuge können dauerhaft für das eigene Unternehmen zur Verfügung stehen. Die Wartung kann in diesem Fall von der Betreibergesellschaft durchgeführt werden. Die Fahrzeuge werden weitgehend standardisiert, um zum Beispiel mehrere Fahrzeuge bzw. Transporteinheiten koppeln zu können.

 

Dass ein solches System grundsätzlich heute bereits funktioniert, beweisen Angebote wie „MOIA“ von Volkswagen oder „Cambio“. Dieses System könnte auch von den Unternehmen des Öffentlichen Nahverkehrs übernommen und betrieben werden. Taxiunternehmen können ebenfalls als (im Gesamtsystem vernetzte) Betreiber einsteigen und Fahrer stellen. Fahrten nach Fahrplan, an bestimmten Haltepunkten und per Abo-Modell sind möglich.

 

Ländliche Gebiete können deutlich leichter (wieder) angebunden werden, als das mit Schienenfahrzeugen möglich wäre.

 

Wenn es flächendeckend umgesetzt werden soll, ist politische Unterstützung erforderlich. Der Staat muss die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen, um die Entwicklung des neuen Mobilitätssystems zu ermöglichen. Das setzt auch voraus, für die Bereitschaft zu werben, das neue System anzunehmen. Finanzielle Anreize könnten speziell in der Anfangszeit Hürden für den Einstieg privater Anbieter reduzieren und dafür sorgen, dass attraktive Preise geboten werden können.

 

 

6  Vorteile

 

So ungewohnt und „disruptiv“ ein solches System bei flächendeckendem Ausbau zunächst erscheinen mag, hat es doch eine Reihe von Vorteilen:

 

  • Die Attraktivität, ein eigenes Fahrzeug zu besitzen, nimmt deutlich ab. Kosten für Anschaffung, Steuern, Treibstoff, Wartung etc. können eingespart werden. Bei Bedarf kann einfach das passende Fahrzeug bestellt werden.
  • Bisher benötigte Flächen (zum Beispiel private Garagen) werden wieder frei und können für andere Zwecke genutzt werden.
  • Unternehmen haben die flexible Möglichkeit, Fahrzeuge zu besitzen oder bei Bedarf in der passenden Größe zu leihen. Ebenso ist möglich, über Abomodelle einen bestimmten Fahrzeugtyp, eine Fahrzeuggröße oder ein konkretes Modell zu buchen.
  • Verkehrs- und Parkdruck werden durch die verringerte Zahl von Fahrzeugen deutlich geringer. Das spart auch Zeit, die sonst im Stau und bei der Parkplatzsuche verbracht wurden.
  • Menschen mit Einschränkungen haben die Möglichkeit, näher an ihr Ziel zu gelangen, als das bisher mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist.
  • Verschiedene „Levels“ sind möglich, um die individuellen Transportbedürfnisse abzudecken, zum Beispiel für die Ankunft am Ziel zu einem genau festgelegten Zeitpunkt, den Transport von Gütern oder der Kombination von Personen- und Materialtransport. Hier sind unzählige Kombinationen und Konstellationen denkbar.
  • Wallboxen und eine flächendeckende Elektro-Infrastruktur werden weitgehend überflüssig und sparen enorme Ressourcen.

 

Selbstfahrende Fahrzeuge können bei Verfügbarkeit das Angebot ausbauen.

 

 

7  Nachteile

 

Natürlich entstehen aus einem solchen Mobilitätssystem auch gravierende Auswirkungen, die als Nachteile interpretiert werden können:

 

  • Für die Autoindustrie könnte sich ein Schrumpfungs- bzw. Restrukturierungsprozess ergeben, da der Gesamtbedarf an Fahrzeugen zurückgeht. Die im Markt vorhandenen Fahrzeuge werden durch das Sharing-Prinzip deutlich mehr genutzt und stehen nicht die meiste Zeit des Tages am Straßenrand oder in der Garage.
  • Die staatlichen Einnahmen aus Kraftfahrzeug-, Treibstoffsteuer etc. gehen zurück.
  • Fachkräfte der Autoindustrie werden möglicherweise nicht mehr in gleicher Anzahl benötigt, stehen dadurch aber anderen, fachkräftesuchenden Unternehmen zur Verfügung.
  • Die Politik müsste Subventionen im Verkehrssektor neu strukturieren, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.

 

Da sich die Einführung aber über einen langen Zeitraum hinziehen wird, können Mechanismen entwickelt werden, um die negative Auswirkungen auszugleichen.

 

 

8  Kurzfristige Möglichkeiten und aktuelle Entwicklungen

 

Firmen steigen heute im städtischen Bereich bereits vermehrt auf Carsharingmodelle um, anstatt eigene Fahrzeuge zu unterhalten. Hierdurch können nennenswerte Kosten für den eigenen Fuhrpark eingespart werden. Auch gibt es bereits Modelle, um Fahrzeuge eines Mobilitätsanbieters fest einem Unternehmen zuzuordnen. Diese Infrastrukturkomponente ist also bereits vorhanden oder entsteht.

 

Hier könnte für den weiteren Auf- und Ausbau angesetzt werden. Weitere mögliche Anbieter wären die öffentlichen Nahverkehrsunternehmen.

 

Durch den während der Pandemie entstandenen Trend zum verteilten Arbeiten, zum Beispiel im Homeoffice, werden schon heute Zeiten des „Berufsverkehrs“ entzerrt und der entsprechende Transportbedarf in diesen Zeiten geringer.

 

Der Ausbau der glasfasergebundenen Vernetzung und Digitalisierung nimmt endlich Fahrt auf und begünstigt den Trend zum verteilten Arbeiten zusätzlich. Hierdurch werden künftig weniger beruflich bedingte Fahrten erforderlich.

 

Für den Gütertransport müssen Überlegungen angestellt werden, um Optimierungspotenziale zu heben - man denke zum Beispiel an die Paketzustellung durch viele verschiedene Transportunternehmen, die zur selben Zeit dieselben Gebiete anfahren.

 

Insgesamt erfordert der Aufbau der beschriebenen, neuen Mobilitätslösung eine Infrastruktur, die zunächst geschaffen werden muss, zum Beispiel:

 

  • Wie beim 49-Euro-Ticket für den schienengebundenen Verkehr in Deutschland muss auch für die neue Mobilitätslösung eine Verwaltung aufgebaut werden.
  • Dazu gehört auch ein IT-System, das die Abrechnung und den Zahlungsverkehr übernimmt und über Schnittstellen die Apps der Wettbewerber miteinander vernetzt - falls es nicht nur eine einzige App gibt. Wichtig ist, dass auf Kundenseite eine einheitliche, möglichst simple Bedienung gegeben ist. Die Buchung von Fahrzeugen über Internet und Telefon (Personalbedarf) muss ebenfalls geregelt werden.
  • Zentrale Wartungspunkte müssen eingerichtet werden. Fahrzeuge können bei Bedarf für Reinigung und Pflege von Personal abgeholt und dorthin gebracht werden. Eine mögliche Alternative sind mobile Teams, die die entsprechenden Aufgaben (auch: Reinigung) direkt am Abstellort der Fahrzeuge vornehmen. Auch technische Defekte an Fahrzeugen müssen abgedeckt werden.
  • Nicht benötigte Fahrzeuge können in Quartiersgaragen geparkt werden, so dass der Parkdruck weiter abnimmt. Die Aufenthaltsqualität in den Quartieren steigt so erheblich und ermöglicht neue Angebote und Nutzungsformen. Aufgesetztes Parken verschwindet von allein.

 

Der individuelle Besitz eines Fahrzeugs ist natürlich auch weiterhin möglich, ggf. aber teurer als heute.

 

 

9  Ausblick

 

Mit dem Ausbau der geschilderten Mobilitätslösung kann der schienengebundene Verkehr langfristig überflüssig werden. Durch die intelligente Kopplung von Fahrzeugen könnten Kolonnen gebildet werden, die bisherige Bahntrassen nutzen (natürlich von Schienen und Oberleitungen befreit). Hier können auch selbstfahrende Fahrzeuge zum Einsatz kommen, die die Trassen als Schnellverbindungen nutzen können.

 

 

10  Fazit

 

Das neue Mobilitätssystem ist zweifellos ein disruptiver Ansatz, der unsere bisherige Mobilitätswelt auf eine ganz neue Basis stellt. Er erfordert ein grundsätzliches Umdenken, führt aber zu deutlich geringerem Ressourceneinsatz und einer besseren Nutzung der vorhandenen Fahrzeuge.

 

Wenn dabei - in einem langen Übergangszeitraum - der bisherige, schienengebundene Verkehr abgelöst werden kann, können weitere Vorteile generiert werden, zum Beispiel durch die Freigabe von Flächen für Bahnhöfe, Parkplätze für Zubringerverkehr (auch beim „Park & Ride“) etc.

 

Die Politik ist gefordert, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit ein wirklich ganzheitliches neues Mobilitätssystem Wirklichkeit werden kann.

Natürlich erheben die oben genannten Elemente keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern müssen im Detail ausgearbeitet werden. Sie können aber der Start sein in eine neue, bessere Mobilität.

 

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[1]    Quelle: Statista.

[2]    Die deutsche Bahn stellte im November 2022 klar, dass sie durch steigende Passagierzahlen infolge günstigerer Tickets schnell überfordert und eine Kapazitätsausweitung kaum möglich wäre.

 

Redaktionelle Hinweise

 

Über die Autoren

 

Dr. Heiko H. Stutzke und Wiebke Brüssel sind Geschäftsführende Gesellschafter des Strategiebüro Nord.

 

Das Strategiebüro Nord arbeitet für Unternehmen und Organisationen im privaten, sozialen und öffentlichen Bereich, für Gründer und für Firmen am Anfang ihrer Entwicklung.

 

Dabei geht es um individuelle Fragestellungen, die sich oft aus den Trends unserer Zeit ergeben. Hierfür entwickeln wir lösungsoffen und teamorientiert strategische Konzepte, die langfristig den Erfolg sichern.

 

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