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15-2020 - Statusdenken-Update

Wiebke Brüssel

Juli 2020

Vor einigen Jahren begleitete ich meinen Mann und meinen Schwager in den Shop einer Drogeriekette in der Bremer Innenstadt. Die beiden Männer wollten ein Geburtstagsgeschenk für ihre Mutter kaufen – sie wünschte sich einen besonderen Lippenstift. Als sie danach fragten, wies uns die Verkäuferin zweimal darauf hin, dass das Produkt teuer sei. Der einzige Grund für dieses merkwürdige Verhalten war vermutlich unsere Bremische Schmuddelwetter-Wochenendkleidung – Jeans und Regenjacke. Wer als Kunde so behandelt wird, wechselt gern das Geschäft. Wir betraten eine andere Parfümerie schräg gegenüber. Die freundliche Verkäuferin hatte kein Problem damit, den Lippenstift herauszusuchen, hübsch zu verpacken und die Kreditkarte anzunehmen.

 

Piktogramm einer Luxus-Limousine, darüber ein großes Fragezeichen.

 

Wir müssen keine Vertriebsprofis sein, um zu erkennen, dass man mit Kunden nicht so umgeht. Auch Menschen in Jeans und Regenjacke können gut bezahlte Jobs und entsprechende Kaufkraft haben. Die Verkäuferin verpasste durch ihr Verhalten vielleicht nicht nur einen einzigen Umsatz. Wir haben die Filialen dieser Kette seitdem gemieden.

 

Der alte Spruch „Wie du kommst gegangen, so wirst du auch empfangen“ müsste doch eigentlich so langsam ausgedient haben. Das wissen wir schon seit dem Film „Pretty Woman“ und dem Anblick von Designerjeans und Hoodies bei erfolgreichen Start-Up-Unternehmern.

 

Doch wie sieht es aus, wenn wir die Medaille umdrehen? Angenommen, wir sind die Kunden und wollen eine Beraterin oder einen Berater engagieren. Ziehen wir voreilige Schlüsse auf Leistungsqualität aufgrund von PKW-Modell? Denken wir, dass ein Unternehmen, dessen Repräsentantinnen oder Repräsentanten keine großen Fahrzeuge der einschlägigen Marken fahren, nicht erfolgreich sein kann?

 

Um dieses Thema ging es in einer Diskussion, an der wir vor einigen Wochen teilnahmen. Einer der Gäste vertrat die Meinung, dass Berater, die nicht mit einem großen Fahrzeug auf den Parkplatz des potenziellen Kunden fahren, nicht ernstgenommen werden. Seiner Meinung nach ziehen Auftraggeber eine direkte Beziehung zwischen Fahrzeuggröße (und Preis) und Unternehmenserfolg. Es gibt natürlich auch andere Statussymbole – großes Büro in teurer Lage, teure Kleidung und Accessoires und so weiter. Ich bleibe mal beim Beispiel „PKW“.

 

Wohl kaum jemand hat die komplette Kontrolle über die Meinungen, die er bzw. sie sich beim ersten Eindruck bildet. Das ist auch völlig in Ordnung, aber es ist klug, sie im Anschluss zu hinterfragen. Wir kennen schließlich die Gründe nicht, warum unser Gegenüber ein kleineres Fahrzeug hat oder keine goldenen Manschettenknöpfe trägt.

 

Wenn wir beim Beispiel des großen PKWs bleiben und es strategisch durchleuchten, können wir zu folgenden Punkten kommen:

 

  • Die Grundleistung „Mobilität“ ist bei allen funktionierenden PKWs gleich – egal wie groß sie sind. Danach kommt es nur noch auf das zu transportierende Volumen an. Wer regelmäßig viel Gepäck hat, braucht mehr Platz. Wer nur sich selbst transportiert, würde mit weniger auskommen.

  • Je größer der PKW, desto höher die Anschaffungskosten und der Verbrauch. Raum wird jedoch in unserem Land immer knapper, vor allem in den Städten. Betriebswirtschaftlich ist es also klüger, ein Fahrzeug mit niedrigem Verbrauch und niedrigeren Anschaffungskosten zu wählen. Das verringert auch den CO2-Fußabdruck.

  • Je größer das Fahrzeug, desto mehr Platz nimmt es in Anspruch. Das ist in unseren Städten vor allem beim Parken ein Problem. Ein kleineres Fahrzeug ist wendiger und spart Raum – der immer knapper wird. Die meiste Zeit verbringen unsere Fahrzeuge ja sowieso eher als „Stehzeuge“ in Garagen und auf Parkplätzen.

 

Mit dem Blick auf Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Strategie scheint es also nicht immer sinnvoll zu sein, ein großes Auto zu fahren. Gerade nachhaltig arbeitende Unternehmen verabschieden sich deshalb vom Statusdenken – zumindest solange der Status an Materiellem hängt.

 

Mehr und mehr Unternehmerinnen und Unternehmer – wir gehören auch dazu – bevorzugen andere Werte. Statt Geld für Statussymbole auszugeben, setzen sie es für zukunftsträchtige Projekte ein. Sie investieren Zeit, Kompetenz und Geld und bringen damit viel Gutes voran. Neben den prominenten Beispielen tun das auch immer mehr kleinere Unternehmen.

 

Wäre es nicht besser und zeitgemäßer, den Erfolg von Unternehmenden und Unternehmens danach zu beurteilen, wie und womit sie die Welt besser machen?

 

Ich finde, wer Beraterinnen und Berater nach materiellen Faktoren beurteilt, verpasst unter Umständen eine richtig gute Leistung.

 

Redaktionelle Hinweise

 

Über den Autor

 

Wiebke Brüssel ist Geschäftsführende Gesellschafterin des Strategiebüro Nord.

 

Das Strategiebüro Nord arbeitet für Unternehmen und Organisationen im privaten, sozialen und öffentlichen Bereich, für Gründer und für Firmen am Anfang ihrer Entwicklung.

 

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