13-2020 - Homeoffice, Sweet Homeoffice
Wiebke Brüssel
Juni 2020
Eine der wesentlichen Errungenschaften der Corona-Krise ist, wie ich finde, der Beweis, dass Home-Office in vielen Fällen funktioniert – entgegen der Meinung mancher Arbeitgeber. Ich kenne Menschen, die seit Jahren versucht haben, einen Teil ihrer Arbeit von zuhause aus machen zu dürfen. Ihre Arbeitgeber waren bis zum Frühjahr 2020 der festen Ansicht, das sei nicht möglich. Und dann plötzlich ging es doch. Nur schade, dass erst eine Pandemie kommen musste, um dieses Thema voranzubringen.
Als ich noch als Angestellte gearbeitet habe, war mein Arbeitgeber noch in der Homeoffice-Ablehnungsphase. Zu jener Zeit war es technisch sicher noch nicht ganz so einfach, aber mit einem gewissen Aufwand möglich. Es gab einige Kolleginnen und Kollegen mit teilweise wirklich weiten Arbeitswegen, die das bestimmt gern wahrgenommen hätten und auch die passenden Aufgaben dafür hatten - doch es wurde ihnen nicht ermöglicht. Vielleicht fehlte einfach das Vertrauen, dass sie auch im Homeoffice ihr Bestes geben würden.
Natürlich hat die Arbeit im Büro einige Vorteile. Die folgenden fallen mir spontan ein:
Der direkte Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen sorgte für Austausch, den Blick über den Tellerrand und ein gutes Netzwerk,
die Kaffeeküche und das gemeinsame Mittagessen auch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen waren Informations-Hotspots,
man ist nicht isoliert. Das Einzige, das ich nach meinem Wechsel in die Selbständigkeit vermisst habe, war der tägliche Kontakt zu den anderen im Büro.
Es ist einfacher, kreativer zu sein. Gute Lösungen zu finden, geht mit Gruppen richtig gut. Das war von Anfang an ein wichtiger Baustein unseres Erfolges als Selbständige – allerdings jetzt mit Kundinnen und Kunden und nicht mehr im Kollegenkreis.
Aber auch das Homeoffice hat eine Menge zu bieten:
Viel Wegezeit kann gespart werden. Sie kann in Produktivität und/oder Lebensqualität investiert werden.
Von der Entlastung des Berufsverkehrs, wenn nicht mehr so viele Menschen zur gleichen Zeit in die Städte drängen, profitieren Nerven und Umwelt.
Besprechungen sind online kürzer und effektiver. Diesen erstaunlichen Effekt habe ich in den letzten Monaten selbst beobachtet und auch von Angestellten aus meinem Bekanntenkreis bestätigt bekommen. Woran das auch immer liegt, es spart Zeit. Vielleicht bereiten sich die Menschen auf eine Online-Konferenz besser vor.
Im Homeoffice kann man sich häufig besser konzentrieren, vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen (z.B. Kinderbetreuung) sind gegeben. In meinen letzten Monaten als Angestellte teilte ich ein Büro mit sechs Anderen. Irgendjemand telefonierte immer, Besucher kamen herein. Wer das nicht ausblenden konnte, war verloren. In kleinen Zweier-Büros funktionierte die Konzentration immer sehr gut, doch die kann oder will nicht jedes Unternehmen bieten.
Mit der Konzentration steigt die Produktivität. Ich bin immer wieder fasziniert, was ich im Homeoffice schaffe. Dafür hätte ich früher in der Firma viel länger gebraucht – es gab einfach zu viele Unterbrechungen.
Die amerikanische Stanford University hat in einer Studie auch tatsächlich nachgewiesen, dass die Produktivität im Homeoffice steigen kann und Fehlzeiten sich verringern. Die Basis der Studie war allerdings ein Unternehmen mit viel Callcenter-Tätigkeit. Andere Aufgaben erfordern mehr Kontakte und sind nicht immer Homeoffice-geeignet.
Wie so oft liegt die Lösung wohl in einer guten Mischung. Vieles kann von zuhause aus konzentriert bearbeitet werden. Doch auch die Bürozeiten haben ihre Existenzberechtigung. Wer jedoch nicht mehr jeden Tag viel Zeit im Berufsverkehr verbringen muss, gewinnt Lebensqualität und tut auch noch etwas Gutes für Luft und Stadtentwicklung.
Auch in diesem Bereich kann die aktuelle Krise eine Chance sein. Zumindest hat sie vermutlich vielen Führungskräften gezeigt, dass sie ihren Mitarbeitenden auch dann vertrauen können, wenn sie sie nicht unmittelbar im Blick und unter Kontrolle haben. Das schafft eine gute Basis für eine gesunde Mischung aus Homeoffice und Präsenz im Unternehmen.
Ob es eine gesetzliche Grundlage für ein Recht auf Homeoffice geben sollte, sei dahingestellt. Ich vertraue auf die Fähigkeit der meisten Wirtschaftsverantwortlichen, eine Chance zu erkennen.
Ob Sie in einem Büro, wie ich in einem Homeoffice oder schon auf gepackten Koffern für ein paar Ferientage sitzen – machen Sie das Beste aus den kommenden Sommertagen.
Redaktionelle Hinweise
Über die Autorin
Wiebke Brüssel ist Geschäftsführende Gesellschafterin des Strategiebüro Nord.
Das Strategiebüro Nord arbeitet für Unternehmen und Organisationen im privaten, sozialen und öffentlichen Bereich, für Gründer und für Firmen am Anfang ihrer Entwicklung.
Dabei geht es um individuelle Fragestellungen, die sich oft aus den Trends unserer Zeit ergeben. Hierfür entwickeln wir lösungsoffen und teamorientiert strategische Konzepte, die langfristig den Erfolg sichern.
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