1-2024 - Ein "Shrinkflation"-Index gegen versteckte Preiserhöhungen
Dr. Heiko H. Stutzke und Wiebke Brüssel
Februar 2024
Der Preis einer Ware ist ein wichtiges Kriterium für den Wettbewerb. Er kann deswegen auch nicht beliebig nach oben verändert werden (das macht die Kundschaft nicht mit), aber genauso wenig nach unten: Arbeits-, Rohstoff- und weitere Kosten müssen durch den Preis gedeckt sein. Und ein Gewinn soll am Ende auch noch drin sein, um als Anbieter nicht draufzuzahlen und irgendwann die Pforten schließen zu müssen.
Im Wettstreit um die beste Marktposition haben sich daher - zum Nachteil der Kunden - neben den klassischen Wegen (zum Beispiel Sonderangebote, Qualitäts- oder Designverbesserungen) auch Taktiken entwickelt, um möglichst unbemerkt Preiserhöhungen durchzusetzen.
Das gilt insbesondere für den Lebensmittelbereich, in dem der Wettbewerb besonders hart ist. Neben der simplen Anhebung des Verkaufspreises wird nicht nur gelegentlich der folgende Mechanismus verwendet, um Preiserhöhungen zu verschleiern:
Der Preis des Produktes bleibt unverändert, aber Packungsgröße oder Packungsinhalt schrumpfen, oder
der Preis des Produktes wird moderat angehoben und gleichzeitig der Packungsinhalt reduziert.
Teilweise entstehen hierdurch Preissteigerungen im mittleren oder hohen zweistelligen Prozentbereich, die für die Verbraucher kaum zu erkennen sind. Das ist „Shrinkflation“.
Eine dritte Möglichkeit ist die Verwendung anderer, preiswerterer Inhaltsstoffe, die dann häufig auch minderwertiger sind.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Preissteigerungen sind ein legitimes Mittel für Hersteller und Handel, um zum Beispiel die Wirtschaftlichkeit des Angebotes in Zeiten steigender Rohstoffpreise und Arbeitskosten sicherzustellen (wenn nicht alternativ die Produktivität verbessert werden kann). Ein Problem wird das aber, wenn diese Preiserhöhungen nicht transparent gemacht werden.
Wir haben ein Werkzeug entwickelt, um versteckte Preiserhöhungen transparent zu machen. Es ist simpel und leicht anwendbar. Versteckte Preiserhöhungen sind direkt und ohne Interpretationsaufwand erkennbar.
1 Der Shrinkflation-Index
Um Shrinkflation zum Beispiel im Lebensmittelbereich zu ermitteln und leicht erkennbar machen, müssen zwei Fragen beantwortet werden:
Haben sich gelieferte Produktmenge oder der dafür geforderter Preis (oder beides gleichzeitig) verändert?
Wie kann man leicht sichtbar machen, ob solche Veränderungen stattgefunden haben?
Sinnvoll funktioniert das nur, wenn Kunden mit einem Blick sehen können, ob Veränderungen an Produkt oder Preis vorgenommen wurden.
Unser Shrinkflation-Index erfüllt diese Anforderungen und arbeitet folgendermaßen:
1 Wir berechnen den Durchschnittspreis eines Produktes sowie den Durchschnitt der Produktmenge über die letzten 12 Vormonate (also ohne den aktuellen Monat). Ein Beispiel: Eine Tafel Schokolade einer bestimmten Sorte hatte durchschnittlich in den letzten 12 Vormonaten einen Inhalt von 120 Gramm und einen Preis von 1,49 EUR.
2 Wir berechnen das Verhältnis von Produktmenge [Gramm] zu Preis [EUR], also 1,49 / 120. Das Ergebnis (0,0124167) wird definiert als Index = 1,00.
3 Die Tafel Schokolade hat heute einen Inhalt von nur noch 100 Gramm und denselben Preis von 1,49 EUR. Wir berechnen das Verhältnis von aktuellem Preis und der Produktmenge (0,0149).
4 Das Verhältnis von Preis und Produktmenge hat sich um 20 % erhöht (0,0149 geteilt durch 0,0124167 = 1,20). Der Index wird also von 1,00 auf jetzt 1,20 angehoben und macht damit die Preiserhöhung sichtbar.
Die im Beispiel ermittelte Veränderung des Index kann als „Shrinkflation“ gewertet werden. Der Index würde aber auch „normale“ Preissenkungen oder -erhöhungen anzeigen und wäre so universell als Informationsmöglichkeit für die Kunden wertvoll.
2 Wie wird der Index in der Praxis angewendet?
Um die Preisentwicklung so transparent wie möglich zu machen, muss sie direkt bei der Preisauszeichnung erkennbar sein. Daher erscheint uns die folgende Art der Anwendung sinnvoll:
1 Die Berechnung des Index erfolgt durch die Endverbrauchermärkte bzw. die entsprechenden Muttergesellschaften. Datenbasis ist das Warenwirtschaftssystem, in dem alle Produktpreise und Mengen vorhanden sein sollten.
2 Die Berechnung des Index für die vergangenen 12 Monate wird einmal pro Monat aktualisiert. Ein Beispiel: Ist der aktuelle Monat der Februar, wird der Index für die Vormonate Januar des Vorjahres bis Januar des aktuellen Jahres berechnet. Für den aktuellen Monat wird der Index neu berechnet, sobald sich Preis und/oder Produktmenge ändern, ebenso bei Angebotsaktionen.
3 Die Anzeige des Index erfolgt direkt auf den elektronischen Etiketten des Marktes (siehe Bild). Bei mehrfarbiger Darstellung wird der Index bei einer Preiserhöhung in Rot dargestellt, bei einer Preissenkung (auch: Sonderangebote) in Grün. Bei einfarbigen Etiketten erfolgt die Darstellung in schwarz-weiß bzw. grau mit einer Textinformation.
So könnte der Index auf den elektronischen Anzeigen am Supermarktregal aussehen:
3 Die Einführung
Die Einführung des Shrinkflation-Index muss durch eine Informationskampagne begleitet werden, die sinnvollerweise von der Bundesregierung gestaltet und finanziert wird. Die Verbraucher müssen darin über den Aufbau und den Zweck des Indexes, die Einführung und die weiteren Details informiert werden, damit sie vom Beginn an kompetent damit umgehen können.
Die Einführung sollte mit einem überschaubaren Aufwand leistbar sein.
4 Detailplanung
Die genaue Ausgestaltung muss im Detail geplant werden. Es gibt sicher noch zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten, um die bestmögliche Transparenz zu erreichen, zum Beispiel:
Berechnung des bisherigen Durchschnittspreises des Produktes nicht über die letzten 12 Vormonate, sondern lediglich über sechs Monate.
Gewichtung der jeweiligen Preise und Produktmengen mit dem Zeitraum, in dem die jeweilige Kombination angeboten wurde.
Einführung eines Grenzwerts für Mindest-Veränderungen: Nur bei Über- oder Unterschreitung des Grenzwertes wird die Veränderung dargestellt (zum Beispiel ab einer Veränderung von +/- 2 %).
Anwendung des Index zunächst im Lebensmittelbereich, mit der Möglichkeit, ihn auch in anderen Branchen einzusetzen.
Der Index könnte nicht nur auf elektronischen Etiketten im Supermarkt, sondern ebenso auch in Internet-Shops angezeigt werden und damit ein universelles Informationsinstrument werden.
5 Fazit
Durch einen „Shrinkflation“-Index für Lebensmittel (und gegebenenfalls andere Produkte) kann eine umfassende Transparenz der Angebotsentwicklung erreicht werden. Die Anwendung von Shrinkflation wird so unattraktiv. Ziel erreicht!
Redaktionelle Hinweise
Über die Autoren
Dr. Heiko H. Stutzke und Wiebke Brüssel sind Geschäftsführende Gesellschafter des Strategiebüro Nord.
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