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1-2021 - Die Superkräfte der kleinen Fachgeschäfte

Wiebke Brüssel

Januar 2021

Vor Corona schien es mir immer so, als würden Einkaufszentren nur aus „Klamottenläden“ bestehen. Die meisten sind Teile von Handelsketten, und ein großer Teil verkauft „Fast Fashion“. Corona zeigt jetzt, wie fragil dieser Ketten sind.

 

Ab hier werde ich übrigens das Wort „Klamotten“ meiden. Es zeigt viel zu sehr, wie geringschätzig wir in unserem Land mit Kleidung umgehen. „Zum Billig-Kaufen habe ich nicht genug Geld“, sagte meine Großmutter. Sie schwor auf gute Passform in langlebiger Qualität und würde damit heute wieder voll im Trend liegen.

 

Im Internet zu bestellen ist einfach, doch auf gute Beratung müssen wir dabei verzichten. Gerade bei Bekleidung ist das ein Nachteil, der dazu führt, dass gut 44 % der von Frauen bestellten Fashion-Artikel zurückgeschickt werden (Quelle: www.retourenforschung.de). Das macht Arbeit und ist nicht gut für unsere Umwelt.

 

Dennoch macht das Internet den kleinen Fachgeschäften kräftig Konkurrenz. Einen eigenen Online-Shop aufzubauen, ist für viele von ihnen keine Option. Es kostet viel Zeit und Geld. Zeit ist gerade ausreichend vorhanden, doch Geld ist meist sehr knapp. Außerdem gibt es schon unübersichtlich viele Online-Shops. Doch die Kombination aus Beratungskompetenz und Digitalisierung schafft andere Möglichkeiten.

 

Wer von uns würde sich beim Kleiderkauf nicht die Begleitung und Beratung durch eine gute Freundin wünschen – die Art von Freundin, die sich nicht scheut, darauf hinzuweisen, dass einem „Ilumination Yellow“ wirklich nicht steht – auch wenn es gerade die neue Modefarbe der Saison ist. Die Rolle dieser ehrlichen Freundin kann eine Verkäuferin oder ein Verkäufer im Fachhandel übernehmen.

 

Denn genau hier liegt die Superkraft der Menschen im Handel, die das mit Kompetenz, Erfahrung und einem geschulten Blick für Bedürfnisse und Bedarf ihrer Kunden tun. Ich selbst habe im Laufe meines Shopping-Lebens festgestellt, dass ich gerade in kleineren Geschäften oft eine richtig gute Beratung bekommen habe. Eines meiner liebsten Beispiele ist der Kauf meines Hochzeitskleides. Ich begann die Kleidersuch-Tour in einem kleineren Laden in Bremen, den es inzwischen leider nicht mehr gibt. Die Verkäuferin konzentrierte sich voll auf meine Bedürfnisse, hatte einen phänomenalen Geschmack und zeigte mir genau das richtige Kleid. Das wurde es dann auch. Das ist jetzt mehr als 26 Jahre her, und ich spreche immer noch davon.

 

Ein weiteres schönes Beispiel für individuelle Beratung entdeckte ich auf YouTube. In dem Clip ging es unter anderem um Gloria‘s Boutique für Accessoires in Paris. Die Inhaberin konzentrierte sich immer auf genau eine Kundin. War gerade eine Kundin im Geschäft, bat sie vorbeikommende Interessentinnen darum, in 15 Minuten wiederzukommen, oder bot einen Termin an. So konnte sie sich voll auf ihre Kundinnen konzentrieren. Das Video ist von 2014. Ich weiß nicht, ob es die Boutique noch gibt, aber ich hoffe es. Falls ich mal nach Paris komme, werde ich mich auf die Suche machen.

 

Wie wäre es also, dieses Prinzip auf die Zeit der digitalen Möglichkeiten zu übertragen und eine solche Beratung per Videochat anzubieten? Die Investition ist überschaubar. Eine kostenlose Beratung in Sachen Digitalisierung bieten oft die Wirtschaftsförderungen der Bundesländer an, in Bremen gibt es zum Beispiel die Digital-Lotsen.

 

Eine Beratung sähe dann so aus: Die Kundin sucht sich ein Geschäft aus und vereinbart online einen Termin. Dann treffen sich Beraterin und Kundin zu einem Video-Chat. Im Vergleich mit dem Gespräch im Geschäft gibt es dabei noch einen positiven Nebeneffekt: Da die Kundin zuhause ist, kann sie, wenn ihr Endgerät tragbar ist, der Verkäuferin einen Blick in den Kleiderschrank erlauben oder ihr ein paar Lieblingsstücke zeigen. Wenn es um Passformen geht, kann sie schnell Maße von gut passenden Kleidungsstücken nehmen. Die Ware kann dann zugestellt werden – oder die Kundin holt sie ab, wenn das möglich ist.

 

In Bremen (und sicher auch in anderen Städten) gibt es bereits Angebote wie „Support-your-local-Lieblingsladen“ und dort auch Hinweise auf Werbe-Plattformen. Falls das zu teuer ist, lassen sich vielleicht über Werbeverbände und lokale Medien andere Möglichkeiten finden. Vielleicht kreieren die Bremer Fachgeschäfte einen Hashtag wie #VideoshoppingBremen und werden so in den sozialen Medien sichtbar.

 

Übrigens, dieses Prinzip funktioniert natürlich auch für andere Branchen. Wer einen neuen Wasserkocher braucht, kann der Beraterin oder dem Berater einen Blick in seine Küche ermöglichen, um die passende Farbe zu finden. Wer ein Buch sucht, kann schnell ein paar Lieblingsbücher als Inspiration holen oder auch einen Blick ins Bücherregal erlauben. Es eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten – vielleicht sogar über Corona hinaus.

 

Ich drücke allen Mit-Selbständigen die Daumen, dass wir gemeinsam durchhalten, bis die Gefahr durch das Virus endlich vorbei ist. Wer Lust hat, sich das Video mit Gloria’s Boutique in Paris anzusehen – hier ist es (ab 0:44 Minuten Laufzeit und in englischer Sprache).

 

Bleiben Sie gesund.

 

Redaktionelle Hinweise

 

Über die Autorin

 

Wiebke Brüssel ist Geschäftsführende Gesellschafterin des Strategiebüro Nord.

 

Das Strategiebüro Nord arbeitet für Unternehmen und Organisationen im privaten, sozialen und öffentlichen Bereich, für Gründer und für Firmen am Anfang ihrer Entwicklung.

 

Dabei geht es um individuelle Fragestellungen, die sich oft aus den Trends unserer Zeit ergeben. Hierfür entwickeln wir lösungsoffen und teamorientiert strategische Konzepte, die langfristig den Erfolg sichern.

 

 

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Dieser Beitrag wurde auf den Bremer Exxtraseiten veröffentlicht.

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